Kaum ein Thema wird im Handwerk derzeit so häufig und so heftig diskutiert wie der Fachkräftemangel, der inzwischen auch außerhalb der Branche ein Dauerthema ist. Viele setzen große Erwartungen in politische Maßnahmen, die über die Erleichterung der Zuwanderung von Fachkräften oder die Unterstützung von Ausbildungsbemühungen das Problem lindern sollen. Digitale Seiten sprach zu dem Thema mit Jörg Mosler, Experte für Mitarbeitergewinnung, Redner und Buchautor, und fragte ihn, welches Optimierungspotenzial er im Bereich der Mitarbeitergewinnung für Handwerksunternehmen sieht.
Sehr geehrter Herr Mosler,
vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, mit uns zu sprechen. Würden Sie sich unseren Lesern bitte kurz vorstellen?
Mein Name ist Jörg Mosler, ich bin gelernter Dachdeckermeister und habe 16 Jahre lang in diesem Beruf gearbeitet. 10 Jahre davon war ich selbstständig tätig. Ich komme also selbst aus dem Handwerk, habe auf genau dem Stuhl gesessen, auf dem viele Ihrer Leser sitzen, und weiß, was dort tagtäglich passiert.
Anders als Viele habe ich jedoch meine Leidenschaft nicht im Handwerk selbst gefunden und mich daher für einen anderen Weg entschieden; nämlich nicht im, sondern für das Handwerk zu arbeiten. Heute schreibe ich Bücher und halte Vorträge, um gerade kleinere Unternehmen bei der Lösung der Probleme zu unterstützen, die sich bei ihrer Suche nach neuen Mitarbeitern ergeben.
Sie haben also einen persönlichen Bezug zum Handwerk – auch zum Thema Fachkräftemangel?
Aus meiner Selbstständigkeit eher weniger. Eine meiner größten Stärken war immer, das Außenbild unseres Unternehmens zu stärken, was die Mitarbeitersuche deutlich erleichtert hat. Darin war ich tatsächlich besser als in der Dachdeckerarbeit selbst.
In den meisten Handwerksbetrieben herrscht nicht unbedingt ein Fachkräftemangel, sondern vielmehr ein Ideenmangel.
Es ist aber definitiv schwieriger geworden, Mitarbeiter und Nachwuchs zu finden, ja. Ich habe im Laufe der Jahre allerdings festgestellt, dass bei den meisten Handwerksbetrieben nicht unbedingt ein Fachkräftemangel, sondern vielmehr ein Ideenmangel herrscht. Wir sind eigentlich noch lange nicht an dem Punkt angekommen, an dem wir sagen können. „Wir haben alles probiert, aber es gibt einfach keine neuen Fachkräfte mehr.“
Wir müssen aktuell den Spieß umdrehen und uns fragen: Was können wir als Arbeitgeber noch tun? Es gibt so viele Möglichkeiten, die nicht kompliziert sind oder große Investitionen erfordern.
Nichts tun – Das ist der größte Fehler überhaupt! Wer mich als Arbeitgeber nicht kennt, den kann ich nicht erreichen.
Was sind demnach die größten Fehler, die Handwerksbetriebe bei der Suche nach neuen Mitarbeitern machen?
Nichts tun – Das ist der größte Fehler überhaupt! Einer der wichtigsten Teilbereiche bei Mitarbeitergewinnung ist das Erregen von Aufmerksamkeit. Wer mich als Arbeitgeber nicht kennt, den kann ich nicht erreichen. Wenn ein Bewerber mein Unternehmen nicht auf dem Schirm hat, dann kommt er auch nicht zu mir. Ich als Arbeitgeber muss zuerst Aufmerksamkeit für mein Unternehmen und für die Arbeitsplätze in meinem Unternehmen erzeugen! Das ist die Hauptaufgabenstellung. Es gibt verschiedene Wege das umzusetzen. Grundsätzlich muss ich aber erstmal für Sichtbarkeit sorgen.
Und ein zweites großes Problem: Wenn diese Arbeitgeberkommunikation dann tatsächlich stattfindet, dann nur auf sehr rationale Weise. Durch die Bank weg, auch bei Unternehmen außerhalb des Handwerks, werden Arbeitsplätze ausschließlich auf rationaler Ebene kommuniziert. Was hier aber notwendig wäre, sind Emotionen.
Was also können die Betriebe selbst tun, um ihre Chancen bei der Mitarbeitergewinnung zu erhöhen?
Es gibt natürlich sogenannte Leuchtturmunternehmen im Handwerk, die das umsetzen, was ich proklamiere; die offen für Neues sind und damit auch Erfolg haben. Und es gibt Unternehmen, die skeptisch gegenüber Neuerungen sind, bei denen man erst Überzeugungsarbeit leisten muss.
Ich versuche in Vorträgen hauptsächlich, die Leute dafür zu begeistern, die Köpfe zu öffnen. Ich möchte sie soweit bringen, dass sie sagen: „Der hat recht, wir müssen etwas tun!“ Eine meiner wichtigsten Botschaften dabei lautet: Mitarbeiter gewinnen heißt Menschen gewinnen. Wir sprechen bei Fachkräften immer über Menschen. Ich muss mich als Arbeitgeber also fragen: Was zieht Menschen an? Die Antwort ist simpel: Emotionen. Ich sage daher: Kommuniziert emotional, was bei Euch im Unternehmen los ist. Warum macht Ihr das, was Ihr tut; wie und vor allem warum macht Ihr das? Teilt Eure Motivation, Euren persönlichen Antrieb. Das muss nach draußen. Wenn sich jemand für Euer Handwerk oder Euer Unternehmen interessiert, muss er sofort sehen können, ob das was für ihn ist oder nicht.
Sie sagen, um dem Fachkräftemangel im Handwerk entgegenwirken zu können, muss zunächst die gesellschaftliche Akzeptanz erhöht werden. Warum ist das Ihrer Meinung nach so wichtig?
Seien wir ehrlich: Die erste Berufsempfehlung der meisten Eltern ist in der Regel nicht: „Geh ins Handwerk!“ Obwohl das strategisch betrachtet durchaus sinnvoll wäre. Die meisten Eltern wollen doch, dass ihre Kinder gut verdienen und Erfolgschancen haben. Da wäre Maurer die bessere Empfehlung als Anwalt. Das ist gesellschaftlich aber nicht in den Köpfen drin.
Wir dürfen allerdings nicht pauschal einfach sagen, die Lehrer, die Eltern und die Politik seien schuld, weil sie es den jungen Leuten falsch kommunizieren. Nein, das wäre die falsche Herangehensweise. Vielmehr ist es wichtig, zu ergründen, warum dieses Bild vom Handwerk in den Köpfen so falsch ist. Ich rate Unternehmen: Zeigen Sie nicht einfach mit dem Finger auf vermeintlich Schuldige, dabei zeigen immer drei Finger auf Sie zurück. Jeder Betrieb ist selbst dafür verantwortlich, welches Bild von sich und von seinem Handwerk er nach außen trägt.
Und welche Maßnahmen halten Sie für sinnvoll, um dieses Ziel der erhöhten gesellschaftlichen Akzeptanz zu erreichen?
Wenn Unternehmer argumentieren, dass sich keiner mehr bewirbt, frage ich immer: „Was haben Sie denn ausprobiert?“ Und als Antwort bekomme ich häufig zu hören: „Wie? Früher haben die sich doch auch von allein beworben.“ Wir müssen also unbedingt als erstes ein Bewusstsein dafür schaffen, dass die Möglichkeiten in den Händen der Unternehmer selbst liegen.
Jeder sollte dahin gehen, wo er am wertvollsten ist. Für sich und für andere.
Der zweite Schritt ist dann, den jungen Leuten zu zeigen, was im eigenen Betrieb passiert. Ein Beispiel: Wenn jemand ins SHK-Handwerk kommt und ihm aus seiner Umgebung dazu nur Skepsis entgegen schlägt, dann sollte er ohne Umschweife zeigen können, wer sein Unternehmen und sein Team ist, was sie Tolles machen, welche wichtige Arbeit sie leisten, welche interessanten Projekte schon durchgeführt wurden. Dafür braucht das Unternehmen vor allem eine digitale Präsenz. Das heißt die Karriereseite und Social-Media-Kanäle müssen entsprechend bespielt werden.
Sie arbeiten auch mit Schülern im Bereich der Berufsorientierung. Was ist für Sie das wichtigste Argument, wenn Sie versuchen, junge Leute vom Handwerk zu überzeugen?
Ich erwähne in Vorträgen das Handwerk, sage ihnen aber nicht: „Geh ins Handwerk, das ist toll!“ Ich arbeite eher nach der Intention, dass jeder dahin gehen sollte, wo er am wertvollsten ist. Für sich und für andere. Wenn der Sohn eines Arztes Maurer wird und umgekehrt, weil sie dort einfach ihre Stärken besser ausspielen können, ist das doch super. Es geht nicht darum, möglichst viele junge Leute ins Handwerk zu bekommen, sondern darum, die ins Handwerk zu holen, für die das die richtige Entscheidung im Berufsleben wäre. Sie kommen aber leider nicht ins Handwerk, weil sie es gar nicht auf dem Schirm oder falsche Vorstellungen von handwerklichen Berufen haben.
Was möchten Sie den Unternehmern und Fachkräften im Handwerk abschließend noch mitgeben?
Vielleicht noch einen grundsätzlichen Appell: Das Handwerk ist eine tolle Branche, in der tolle Menschen arbeiten, in der es tolle Projekte gibt, in der man gutes Geld verdienen und in einem familiären Umfeld arbeiten kann – Zeigt das den Menschen da draußen! Wartet nicht drauf, dass sie von allein darauf kommen, sondern kommuniziert für Euch und für Euer Unternehmen. Dann werden die Leute auf Euch und Eure Arbeit aufmerksam und dann wird sich nach und nach das Bild des Handwerks verändern.
Grundsätzlich glaube ich, dass das Handwerk in der Zukunft eine der Boom-Branchen sein wird, weil vieles, was hier geleistet wird, einfach nicht digitalisiert werden kann. Trotzdem muss man jetzt aktiv werden und nicht auf den Wandel warten, sondern ihn selbst einläuten.